Sanktionen gegen Russland: Umsetzung in der Praxis
Hilfestellung

Sanktionen gegen Russland: Umsetzung in der Praxis

Die Sanktionen der EU gegen Russland unterliegen vielen Änderungen. Beispiele und Hilfestellung zur rechtskonformen Umsetzung in der Praxis.

Sanktionen gegen Russland: Das 13. Sanktionspaket der EU

Sanktionen waren schon kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine das Mittel der Wahl, um westliche Werte gegen diesen Völkerrechtsbruch zu verteidigen. Bereits am 23. Februar 2022 wurden seitens der EU erste Finanzsanktionen beschlossen. Seither hat die EU die Sanktionsmaßnahmen gegen Russland laufend erweitert – das dreizehnte Sanktionspaket wurde am 23. Februar 2024 veröffentlicht und ist einen Tag später in Kraft getreten. Informationen dazu werden laufend auf den Webseiten des BAFA aktualisiert.

Die hohe Änderungshäufigkeit seit Beginn des Krieges führt in der Praxis zu erheblichen Problemen und Unsicherheiten. Unternehmen, die bislang mit den Regelungen der Exportkontrolle nicht vertraut waren, müssen nun ihr Russlandgeschäft auf bestehende Beschränkungen aus der EU-Embargo-Verordnungen überprüfen. Die EU nutzt für die Sanktionsmaßnahmen die Instrumente der Exportkontrolle. Für alle Unternehmen, die den Geschäftsverkehr mit Russland aufrechterhalten wollen, sind Grundkenntnisse des Exportkontrollrechts elementar. 

Folgende vier Prüfschritte führen in der dargestellten Reihenfolge sicher durch die rechtlichen Vorgaben des Exportkontrollrechts in der EU.

Prüfschritt 1: Die Geschäftspartnerprüfung

An wen liefere ich?

Im ersten Schritt wird geprüft, ob gegen den Geschäftspartner mittelbare oder unmittelbare Bereitstellungsverbote bestehen. In den verschiedenen Sanktionspaketen wurden umfassende Bereitstellungsverbote gegen natürliche und juristische Personen und Organisationen erlassen.

Unternehmen mit einer Compliance Screening Lösung von AEB können automatisiert überprüfen, ob ihre Geschäftspartner sanktioniert sind. Die unmittelbare Bereitstellungsverbote seitens der EU werden in der Consolidated Financial Sanctions Parties List (CFSP-Liste) tagesaktuell zusammengefasst. Neben der CFSP-Liste besteht die Möglichkeit, aus dem großen Listenangebot der AEB weitere für die Geschäftstätigkeit relevante Listen auszuwählen.

Im Geschäftsverkehr mit Russland bestehen beispielsweise gegen staatseigene Konzerne des Anhang XIX der Embargo-VO 833/2014 Transaktionsverbote. Die betroffenen staatseigenen Konzerne werden neben russischen Finanzinstituten, die von Kapitalmarktbeschränkungen betroffen sind, in der Liste „Restrictions on access to the capital market (Council of the European Union)“ geführt. Die rechtliche Bewertung eines Treffers und damit die Frage der weiteren Geschäftsbeziehung zu dem betroffenen Unternehmen, hängt davon ab, auf welcher Liste sich der Treffer findet und welche Rechtsfolgen hinter der Listung stehen.

Achtung: Sowohl die Bereitstellungsverbote als auch das Geschäftsverbot mit staatseigenen Konzernen wirken nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar. Das bedeutet, dass auch ein Geschäftspartner, der selbst nicht unmittelbar mit Bereitstellungsverboten belegt ist, unter mittelbare Bereitstellungverbote fallen kann, wenn er im Eigentum einer sanktionierten Entität, wie beispielsweise eines Oligarchen steht. Mehr dazu in unserem Artikel Die Auswirkungen von Finanzsanktionen am Beispiel Roman Abramowitsch.

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Prüfschritt 2: Die Embargoprüfung

Wohin liefere ich?

Beim Geschäftsverkehr mit einem sanktionierten Land muss die Embargoverordnung gegen dieses Land vorrangig geprüft werden. Im Fall von Russland stellt sich das folgendermaßen dar: Nach der Annexion der Krim und der Besetzung von Donezk und Luhansk wurden gegen Russland bereits im Juli 2014 mit der EU-Embargoverordnung Nr. 833/2014 Sanktionen erlassen. Diese Verordnung aus dem Jahr 2014 wird durch die seitens der EU erlassenen Sanktionspakete laufend angepasst – zuletzt am 19. Dezember 2023.

Die Embargoverordnung gegen Russland hat eine Vielzahl von Anhängen, die ganz unterschiedliche Güterkreise betreffen. Die Bandbreite an Gütern reicht von High-Tech bis in den Luxusgüterbereich, zu dem beispielsweise auch Weine und andere Spirituosen gehören. Gekennzeichnet sind die betroffenen Güter in den Anhängen oftmals durch Warennummer. Unternehmen müssen überprüfen, ob sie von den Listungen betroffen sind.

Anders als die EU-Dual-Use-VO 2021/821 erfassen die Embargoregelungen nicht nur die Ausfuhr oder Verbringung, sondern auch den Verkauf und die Lieferung. In der Praxis hat dies weitreichende Konsequenzen. Nachfolgende dazu zwei Beispiele:

Sanktionen gegen Russland: Beispiel 1

Ein deutsches Unternehmen schließt einen Kaufvertrag mit einem russischen Geschäftspartner über Waren, die vom Anhang XXIII der Embargoverordnung 833/2014 gegen Russland erfasst sind. Die Produkte sollen nicht nach Russland, sondern nach Georgien zu einem dort ansässigen Unternehmen geliefert werden. Selbst wenn die Geschäftspartner des deutschen Unternehmens versichern, dass die Waren ihr endgültiges Bestimmungsziel in Georgien haben und nicht nach Russland weitergeliefert werden, fällt das deutsche Unternehmen durch den mit dem russischen Geschäftspartner geschlossenen Kaufvertrag in den Anwendungsbereich der Embargoverordnung 833/2014 gegen Russland. Der Vertragsschluss über diese Güter ist verboten und führt für das deutsche Unternehmen zu einem Embargoverstoß.

Sanktionen gegen Russland: Beispiel 2

Ein deutsches Unternehmen schließt einen Kaufvertrag mit einem georgischen Unternehmen über Waren des Anhang XXIII der Embargoverordnung 833/2014. Die Waren sollen über den georgischen Vertragspartner nach Russland geliefert werden. Der weite Anwendungsbereich der Embargoverordnungen der EU führt dazu, dass über den Begriff der Lieferung jede Form des empfängerbezogenen Zurverfügungstellen in einem Embargoland in den Anwendungsbereich der jeweiligen Embargoverordnung fällt. Es liegt eine Ausfuhr des deutschen Unternehmens nach Georgien vor, die sich nach den allgemeinen Vorschriften der Dual-Use- bzw. Außenwirtschaftsverordnung beurteilt. Darüber hinaus liegt eine Lieferung nach Russland vor, die in den Anwendungsbereich des Verbots des Art 3k der VO 833/2014 für Güter des Anhang XXIII fällt. Verstöße gegen Sanktionsvorschriften der EU werden nach dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz als Embargobrüche geahndet und können je nach Fallgestaltung strafrechtliche Konsequenzen haben.

Mit den Fragen 1 und 2 sind die embargospezifischen Prüfungen abgeschlossen. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Vorschriften des Exportkontrollrechts. 

Solange seitens der EU kein Totalembargo gegen Russland verhängt wird, bleiben Geschäfte mit Russland grundsätzlich möglich. Geschäfte, die weder mit Blick auf den Geschäftspartner noch bezüglich der Embargoverordnungen beschränkt sind, müssen einer Prüfung nach der Dual-Use-VO und der AWV unterzogen werden. Zu diesen Prüfungen gelangt man, wenn man die Fragen 3 und 4 stellt.

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Prüfschritt 3: Die Güterlistenprüfung

Was liefere ich?

Mit Beantwortung dieser Frage wird die Genehmigungspflicht bei der Ausfuhr gelisteter Güter sichergestellt. Relevant wird diese Frage im Geschäftsverkehr mit Russland nicht, da gelistete Güter einem grundsätzlichen Verbot unterliegen.

Prüfschritt 4: Die Catch-all-Prüfung

Wofür wird das Gut verwendet?

Die letzte Frage zielt auf eine Verwendungszweckprüfung. Alle Güter, die keinen Beschränkungen aus den vorangegangene Prüfschritten unterliegen, müssen ihr unterzogen werden. Bei Kenntnis einer der in Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 EU-Dual-Use-VO beschriebene Endverwendungen unterliegen diese Güter einer Genehmigungspflicht.

Sanktionen gegen Russland: Fazit

Die Sanktionsvorschriften der EU gegen Russland sind vielschichtig und unterliegen einer hohen Änderungshäufigkeit. Unternehmen, die Geschäfte mit Russland machen möchten, müssen geeignete Organisationsmaßnahmen treffen, die eine umgehende Reaktion auf Änderungen der rechtlichen Vorgaben ermöglichen. Umfassende Kenntnisse im Exportkontrollrecht der EU sind hierfür unerlässlich.