Extraterritoriale Ansätze in der Exportkontrolle: EU, UK, CN und US – was ist zu beachten?
Ganz konkret

Extraterritoriale Ansätze in der Exportkontrolle: EU, UK, CN und US – was ist zu beachten?

Wie extraterritorial sind die Exportkontroll- und Sanktionsregelungen in der EU, dem UK, China und der USA ausgestaltet? Ein Blick in die Gesetze hilft bei der Einschätzung.

Extraterritorialität: Einstieg und was Sie erwartet

Extraterritoriale Ansätze im Exportkontroll- und Sanktionsrecht gibt es nicht nur in den USA, sie sind auch in den Gesetzen anderer Länder weit verbreitet. Genau das führt in vielen Unternehmen zu großen Unsicherheiten. 

Ziel des Beitrags ist die Darstellung der unterschiedlich ausgestalteten extraterritorialen Ansätze im Exportkontroll- und Sanktionsrecht der EU, dem Vereinigten Königreich (UK), China und den USA anhand konkreter Beispiele. Wir beschreiben die Fallstricke bei der Umsetzung der rechtlichen Vorgaben und bieten Unternehmen dadurch die Möglichkeit, gängige Fehler zu vermeiden.

Aktuelle Relevanz extraterritorialer Ansätze

Das Thema Extraterritorialität ist im Zusammenhang mit den Konflikten zwischen den USA und China wieder verstärkt in den Fokus gerückt. Trump spricht von Sekundärzöllen und China erweitert seine Exportgesetze. Für Unternehmen außerhalb der USA und China ist es nicht ganz einfach die Bedeutung für die eigene Geschäftstätigkeit zu ermitteln. Aussagen wie

„[…] Wegen des extraterritorialen Geltungsbereichs des chinesischen Exportkontrollgesetzes müssen auch Unternehmen außerhalb Chinas ihre Lieferketten und Handelswege einer kritischen Risikobewertung unterziehen und diese ggbfs. an die chinesischen Exportkontrollgesetze anpassen […].“ 

verbreiten sich rasant und vermitteln den Eindruck, jedes Unternehmen außerhalb Chinas müsste das chinesische Exportkontroll- und Sanktionsrecht beachten.

Nicht selten entstehen aus dieser Unsicherheit heraus Überregulierungen, die Zeit und Geld kosten. Wer nicht in sofortigen Aktionismus verfallen möchte, kommt nicht umhin sich selbst urteilsfähig zu machen. Dazu gehört in einem ersten Schritt den Begriff der „Extraterritorialität“ zu definieren und einzugrenzen.

Extraterritorialität in der Exportkontrolle: Was ist gemeint

Extraterritorialität bedeutet in der Exportkontrolle, dass ein Land seine Exportkontrollgesetze so ausgestaltet, dass sie auch außerhalb der Landesgrenze Anwendung finden. Es liegt auf der Hand, dass extraterritorial geltende Gesetze in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Neben fehlenden Sprachkenntnissen – die Gesetze stehen meist nur in der Landessprache zur Verfügung – sind fehlende Rechtskenntnisse das elementare Problem. Als Folge davon fehlt den Unternehmen bei der Umsetzung der ausländischen Gesetze die notwendige Sicherheit.

Dazu kommt, dass mangels Kenntnis des Rechtsystems auch die Sanktionierungsmöglichkeiten der ausländischen Behörden unbekannt sind. Auswirkungen hat dies in vielen Fällen auf die Festlegung der unternehmensinternen Prozesse. Geleitet von Angst und Unsicherheit sind pessimistische Ansätze und damit verbundene negative Auswirkungen auf die eigene Geschäftstätigkeit des Unternehmens und auf die Lieferkette nicht selten. Eindrucksvolle Beispiele dazu bietet die Umsetzung der extraterritorial ausgestalteten EAR (Export Administration Regulations) – einem Gesetz aus dem Bereich des US-Exportkontrollrechts – in deutschen Unternehmen.

Im Folgenden werden die extraterritorialen Ansätze der EU-Embargoverordnungen, der UK-Sanktionsgesetze, des neuen chinesischen Exportkontrollgesetzes (ECL), der US Export Administration Regulations (EAR) und des US-Sanktionsrechts des OFAC betrachtet.

Exportkontrolle einfach und verständlich

Sanktionslistenprüfung, Klassifizierung, Exportkontrollrecht der USA und anderer Länder: Was Sie jetzt wissen müssen, bringen unsere Experten in Fachseminaren anschaulich auf den Punkt.

1. Extraterritorialität von EU-Sanktionsvorschriften am Beispiel des Art. 13 der EU-Embargoverordnung Nr. 833/2014 gegen Russland

Die EU-Embargoverordnung gegen Russland ist extraterritorial ausgestaltet, sie gilt weltweit, allerdings eingeschränkt auf die genannten Bezugsfaktoren:

  • Natürliche Personen: Staatsbürgerschaft in einem EU-Mitgliedstaat
  • Juristische Personen: Gegründet oder eingetragen nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wurde sehr deutlich, wie wenig sich Unternehmen in der EU mit der extraterritorialen Geltung von EU-Embargoverordnungen auseinandergesetzt haben. Es war in vielen Unternehmen völlig unklar, ob ihre ausländischen, insbesondere auch russischen Standorte, in den Anwendungsbereich der EU-Embargoverordnung fallen. 

Nach einigen Verwirrungen haben die Unternehmen für sich dann die Klarheit gewonnen, dass eigenständige Tochterunternehmen außerhalb der EU nicht in den Anwendungsbereich der EU-Embargoverordnung gegen Russland fallen, sondern dem russischen Recht unterstehen.

Warum das so ist, verdeutlicht das Beispiel eines eigenständigen Tochterunternehmens eines EU-Konzerns in China. Das chinesische Tochterunternehmen ist nach chinesischem Recht gegründet und untersteht damit nicht dem Anwendungsbereich der EU-Embargoverordnung gegen Russland.

An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass eigenständige Standorte außerhalb der EU, die nicht in den Anwendungsbereich der EU-Embargoverordnung gegen Russland fallen und keinen vergleichbaren Sanktionen im Geschäftsverkehr mit Russland unterliegen, nicht bewusst als Drehscheiben für Lieferungen nach Russland genutzt werden dürfen. In diesen Fällen wird man zumindest nach dem deutschen Strafrecht einen vorsätzlichen Embargobruch des deutschen Unternehmens bejahen und ein Strafverfahren einleiten. 

Mehr dazu finden Sie in meinem Artikel Hilfestellung zur No Russia Clause: Risiken erkennen und minimieren

Wenngleich auch die EU mit der Best-Effort Klausel des Art. 8a der RU-Embargoverordnung 833/2014 alle EU-Unternehmen verpflichtet, ihre Standorte außerhalb der EU nach besten Kräften zur Einhaltung der EU-Embargoregelungen gegen Russland zu bewegen, kann hierin keine gesetzlich normierte Extraterritorialität gesehen werden.

2. Extraterritoriale Geltung der Sanktionsregelungen des Vereinigten Königreichs (UK)

Die Sanktionsvorschriften des Vereinigten Königreichs sind extraterritorial ausgestaltet, sie gelten weltweit, wenn folgende Bezugsfaktoren vorliegen:

  • Natürliche Personen: Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs
  • Juristische Personen: Gegründet und eingetragen nach dem Recht des Vereinigten Königreichs

Die Formulierung zur Extraterritorialität im UK ist vergleichbar mit der in den EU-Verordnungen. Ähnliche Formulierungen zur extraterritorialen Anwendung finden sich in den Trade Compliance Gesetzen vieler weiterer Länder.

Wendet man diese Formulierung auf ein Unternehmen an, das seinen Sitz in der EU hat, dann bedeutet das für alle eigenständigen Tochterunternehmen von britischen Konzernen mit Sitz in der EU, dass sie nicht in den Anwendungsbereich des UK Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018 fallen.

3. Extraterritoriale Geltung des neuen chinesischen Exportkontrollgesetzes (ECL)

Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb Chinas haben fallen grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des ECL. Man könnte sich jetzt die Frage stellen, warum es das ECL dann eigentlich in die Diskussionsrunden so vieler Unternehmen zumindest in Deutschland geschafft hat.

An dieser Stelle zeigt sich wieder die Komplexität der Trade Compliance. Ähnlich wie Deutschland in Bezug auf seine Rüstungsgüter oder auch die EU in Bezug auf Dual-Use-Güter, richtet auch China ein besonderes Augenmerk auf bestimmte aus Sicht der chinesischen nationalen Sicherheit schützenswerte Güter. Neben bestimmten Rohstoffen oder seltenen Erden nutzt China bestimmte chinesische Güter, um den globalen Handel zu regulieren.

China stellt bestimmte Magnete oder jüngst die Lithiumtechnologie unter Exportkontrollen. Das bedeutet für den Export aus China, dass eine chinesische Ausfuhrgenehmigung durch das MOFCOM bzw. die zuständige chinesische Provinzbehörde erforderlich ist. Die chinesische Genehmigungsbehörde erteilt die Ausfuhrgenehmigung nur dann, wenn der chinesische Ausführer vom ausländischen Empfänger ein „End-Use Certificate“ vorlegen kann. In diesem Fall muss sich der Endverwender verpflichten, die chinesischen Produkte nicht oder nur in bestimmte Länder zu reexportieren.

All denjenigen, die mit dem Genehmigungsverfahren im Bereich der EU-Exportkontrolle vertraut sind, wird dieser Ansatz bekannt vorkommen. Vor diesem Hintergrund hat China keine mit der US-Exportkontrolle vergleichbare Extraterritorialität eingeführt, sondern sich vielmehr am Vorgehen der EU oder auch anderer westlicher Länder orientiert

4.1 Extraterritoriale Ausgestaltung der US Export Administration Regulations (EAR)

Die EAR sind extraterritorial ausgestaltet. Anknüpfungspunkt für die weltweite Geltung ist der Reexport. Alle Lieferungen außerhalb der USA, die die Anforderungen eines Reexports erfüllen wie in § 734.14 EAR beschrieben, fallen in den Anwendungsbereich der EAR.

Entscheidendes Kriterium eines Reexports im Anwendungsbereich der EAR ist das „item subject to the EAR“. Welche Produkte dies betrifft, wird abschließend in § 734.3; 4 & 9 definiert. Es ist das US-Produkt und nicht die US-Person, die Transaktionen außerhalb der USA in den Anwendungsbereich der EAR führt.

Alle Unternehmen außerhalb der USA müssen transaktionsgebunden die EAR beachten, wenn sie mit zivilen US-Produkten handeln. Führt ein deutsches Unternehmen US-Produkte nach China aus, hängen die EAR am US-Produkt. Die Lieferung von US-Produkten nach China ist aus US-Sicht ein Reexport, der in den Anwendungsbereich der EAR fällt.

Standarddatei

Richtig handeln mit AEB Export Controls

Ausfuhrverbote und -beschränkungen sowie Genehmigungspflichten weltweit automatisiert prüfen – sicher und effizient im Hintergrund. Inklusive automatisiertem Datenservice und Optionen zur ERP-Integration.

4.2 Sekundärsanktionen der US-Sanktionsvorschriften des OFAC

Die Sanktionsvorschriften des OFAC sind danach nicht extraterritorial ausgestaltet. Der Anwendungsbereich der Sanktionsvorschriften des OFAC ist grundsätzlich beschränkt auf US-Personen (Primary Sanctions). Allerdings gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. Die Sanktionsvorschriften gegen den Iran sollen aus Sicht der USA weltweit beachtet werden. Auch Unternehmen außerhalb der USA, also Nicht-US-Personen, sollen die US-Sanktionsvorschriften gegen den Iran vollumfänglich, also wie eine US-Person, beachten (sogenannte „Secondary Sanctions“).

Aktuell gibt es keine weiteren Sanktionsprogramme für die seitens der USA umfassende weltweite Beachtung beansprucht wird. Es gibt eine Reihe von US-Sanktionsprogrammen in der SDN-Liste mit dem Hinweis „Secondary Sanctions Risk“. Diese stellen wiederum die Verbindung zum US-Produkt nach den EAR her, sind also weltweit ausschließlich beim Handel mit US-Produkten zu beachten. Die betroffenen Sanktionsprogramme sind in § 744.8 EAR aufgelistet.

In der Praxis wird die Unterscheidung zwischen dem US-Exportkontrollrecht und dem US-Sanktionsrecht häufig nicht vorgenommen. Vielen Unternehmen ist nicht klar, dass das US-Sanktionsrecht nicht extraterritorial ausgestaltet ist. Weitere Unsicherheiten entstehen bei Beteiligungen von US-Personen. Das kann zum einen der US-Mutterkonzern sein oder auch der Geschäftsführer mit US-Staatsbürgerschaft. 

Oftmals wird dann fälschlicherwiese eine deutsche GmbH als eine US-Person betrachtet. Das führt zu der unzutreffenden Annahme, das Unternehmen müsse sämtliche Sanktionsprogramme inklusive der 50%-Rule der SDN-Liste beachten. Dieses Beispiel zeigt deutlich, warum so viele Unternehmen außerhalb der USA durch Unsicherheiten im Umgang mit dem US-Sanktionsrechts in massive Überregulierungen laufen.

Extraterritorialität in der Exportkontrolle: Fazit

Wer sich mit der extraterritorialen Ausgestaltung ausländischer Gesetze beschäftigt und nicht Opfer des Flüsterposteffekts werden möchte, kommt nicht umhin einen Blick in die jeweiligen Gesetze zu werfen und zu prüfen, ob sie überhaupt extraterritorial gelten und wie die Extraterritorialität ausgestaltet ist. Nur so kann man entscheiden, welche Transaktionen im Unternehmen einer Prüfung nach ausländischen Gesetzen unterzogen werden müssen.

AEB-Software zur Exportkontrolle entdecken