
Güterlisten und Klassifizierung: Das Herzstück der Exportkontrolle
Was ist bei der Klassifizierung von Gütern zu beachten? Welche Güterlisten sind für die Exportkontrolle relevant? Eine Schritt-für-Schritt-Erklärung.
Was ist bei der Klassifizierung von Gütern zu beachten? Welche Güterlisten sind für die Exportkontrolle relevant? Eine Schritt-für-Schritt-Erklärung.
Die Exportkontrolle schränkt die Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs beim Handel mit gelisteten Gütern mit dem Ziel ein, die Verbreitung und Entwicklung von ABC-Waffen und Trägersystemen sowie von konventionellen Rüstungsgütern zu verhindern und die militärische Nutzung von Dual-Use-Gütern zu vermeiden.
In der Praxis bedeutet dies, dass exportierende Unternehmen bei der Ausfuhr gelisteter Güter immer eine Genehmigungspflicht zu beachten haben. Gesetzlich geregelt ist diese Genehmigungspflicht für zivile Güter in der EU-weit gültigen EU-Dual-Use-VO 2021/821. Die Rechtsgrundlage für den Handel mit Rüstungsgütern ist in Deutschland die Außenwirtschaftsverordnung (AWV).
Die Beachtung der gesetzlich normierten Genehmigungspflichten für gelistete Güter ist nur den Unternehmen möglich, die ihren Warenstamm klassifiziert haben. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Frage der Listenerfassung das Herzstück der Exportkontrolle ist. Die Listenprüfung ist die Basis einer zuverlässigen Exportkontrollorganisation im Unternehmen.
Alle in der EU ansässigen Unternehmen haben für die Klassifizierung ihrer zivilen Güter mindestens zwei Güterlisten zu beachten. Länderabhängig kann zu den EU-weit gültigen Güterlisten eine nationale Dual-Use-Liste kommen. Außerdem gibt es in allen EU-Mitgliedstaaten eine nationale Rüstungsgüterliste. Ein in Deutschland ansässiges Unternehmen hat bei der Güterklassifizierung aktuell vier Güterlisten zu beachten.
Was gehört zur Exportkontrolle? Was ist zu tun bei der Sanktionslistenprüfung, dem US Re-Exportkontrollrecht, und der Dual-Use-Verordnung? Diese Antworten und viele mehr gibt's in unseren AEB Trade Compliance Management Seminaren.
Die Güterlisten sind Positivlisten. Die kontrollierten Güter werden in den Listen durch eine präzise technische Beschreibung ihrer Spezifikationen und Eigenschaften benannt.
Die Güterpositionen der Dual-Use-Güterliste des Anhang I der EU-Dual-Use-VO sind gekennzeichnet durch einen alpha-numerischen Aufbau, zum Beispiel 1A001. Jeder Stelle der Güterposition kommt eine bestimmte Bedeutung zu.
Die deutsche Rüstungsgüterliste des Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste umfasst gegenwärtig 22 Güterpositionen (0001-0022). Die kontrollierten Rüstungsgüter sind in numerischer Reihenfolge aufgelistet.
Die nationalen Dual-Use-Güter des Teil I Abschnitt B der Ausfuhrliste entsprechen in ihrem Aufbau den EU-Dual-Use-Gütern. Für nationale Kontrollen ist die Kennung 9 reserviert. Nationale Dual-Use-Güter sind die sog. 900er-Nummern (900–999) wegen der 9 nach dem Buchstaben.
Viele Unternehmen nutzen für ihre Güterklassifizierung Hilfsmittel wie den EZT-online oder das Umschlüsselungsverzeichnis. Beide Hilfsmittel basieren auf der Warennummer des zu klassifizierenden Produkts und unterstützen bei der Dual-Use-Klassifizierung von zivilen Gütern. Zu beachten ist, dass weder der EZT-online noch das Umschlüsselungsverzeichnis bei der Klassifizierung von Rüstungsgütern unterstützen kann.
Das wesentliche Kennzeichen eines Rüstungsguts ist die besondere Konstruktion oder Veränderung für militärische Zwecke. Beide Merkmale finden keinen Eingang in die zollrechtliche Tarifierung. Vor diesem Hintergrund ist in einem ersten Schritt bei der Klassifizierung zu prüfen, ob es im Unternehmen Güter gibt, die für militärische Zwecke besonders konstruiert oder verändert wurden. Ist dies der Fall, sind diese Güter als Rüstungsgüter nach Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste zu klassifizieren.
Die tatsächliche Verwendung der Güter hat auf die Klassifizierung der Güter als Rüstungsgüter keinen Einfluss. Ein Produkt, das keine besonderen militärischen Konstruktionsmerkmale enthält, kann durch eine militärische Verwendung nicht zu einem Rüstungsgut werden. Die Rüstungsklassifizierung erfolgt empfänger- und verwendungsunabhängig.
Die Dual-Use-Klassifizierung ist eine rein technische Prüfung. Erforderlich ist der Abgleich zwischen den technischen Eigenschaften des zu klassifizierenden Produkts mit der technischen Beschreibung in der überprüften Güterlistenposition.
Weist das überprüfte Produkt die in der Güterlistennummer beschriebenen technischen Parameter auf, ist das Produkt unter der überprüften Güterlistennummer gelistet und damit ein Dual-Use-Gut. Eine Güterklassifizierung nach Anhang I der EU-Dual-Use-VO ist ohne das technische Know-how zu den überprüften Gütern nicht möglich.
Auch an dieser Stelle hat die tatsächliche Verwendung der Güter auf ihre Klassifizierung keinen Einfluss. Das heißt, ein gelistetes Gut verliert seine Eigenschaft als Dual-Use-Gut nicht deshalb, weil es tatsächlich nur zivil verwendet wird. Auf der anderen Seite wird ein Produkt, das in der Dual-Use-Güterliste nicht gelistet ist durch eine kritische Verwendung z.B. im Rüstungsbereich nicht zu einem Dual-Use-Gut. Auch die Dual-Use-Klassifizierung erfolgt empfänger- und verwendungsunabhängig.
Die Güterlistenprüfung stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Sind die Güterlisten vordergründig auch einfach zu verstehen, führt die Prüfung im Detail dann doch häufig zu erheblichen Schwierigkeiten.
Betroffen sind davon nicht nur Unternehmen mit einer großen Produktpalette oder häufig wechselnden Produkten sondern auch Unternehmen, die Ersatzteile exportieren möchten. Die Ausfuhr vieler Maschinen und Anlagen ist genehmigungsfrei möglich, verbaute Dual-Use-Güter gehen zumeist nach der Bestandteilsregelung in der Maschine oder Anlage unter. Müssen jedoch Filter, Sensoren, Pumpen, Ventile, Frequenzumwandler als Ersatzteile exportiert werden, findet die Bestandteilsregelung keine Anwendung.
Die Ersatzteile müssen einer Klassifizierung unterzogen werden. Alle Ersatzteile, die als Dual-Use-Güter gelistet sind unterliegen bei der Ausfuhr einer Genehmigungspflicht nach Art. 3 EU-Dual-Use-VO. Die Dual-Use-Klassifizierung kann nicht nach einem allgemein gültigen Schema erfolgen, sondern erfordert vielmehr eine individuelle, auf die Unternehmensstruktur abgestimmte Vorgehensweise.
Deshalb ist es an dieser Stelle nicht möglich einen für alle Unternehmen passenden Königsweg aufzuzeigen. Hilfreich und für alle Unternehmen gültig sind jedoch folgende Aussagen:
Dual-Use-Güter sind immer High-Tech-Produkte. Massenprodukte und Güter, die auf dem Weltmarkt frei verfügbar sind, finden sich nicht in der Dual-Use-Güterliste des Anhang I.
Für Handelsware ist die Klassifizierung beim Hersteller oder Lieferanten anzufragen. Die technische Tiefe der Güterbeschreibungen des Anhang I macht die Selbstklassifizierung von Produkten, die nicht selbst entwickelt oder hergestellt wurden schwierig. Die Beschreibungen der Güterpositionen erfordern in der Regel ein spezielles technisches Wissen, das zumeist nur der Hersteller hat. Anders als bei der zollrechtlichen Tarifierung darf sich der Ausführer bei der exportkontrollrechtlichen Klassifizierung auf die Angaben des Herstellers verlassen, wenn die Angaben plausibel sind. Plausibel sind die Angaben dann, wenn sie nicht mit einfachen Mitteln widerlegt werden können. Sind die Angabe des Herstellers nicht plausibel, muss der Ausführer selbstständig nachklassifizieren.
Für die Selbstklassifizierung durch den Hersteller ist neben dem Wissen über die technischen Produktdetails, die Kenntnis von Aufbau und Struktur des Anhang I hilfreich. Die zehn Kategorien des Anhang I orientieren sich an den verschiedenen Ausbildungswegen für Ingenieure. Diese Unterteilung soll es Unternehmen ermöglichen, gezielt die für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens relevanten Bereiche auszuwählen.
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Unternehmen stehen eine Reihe verschiedener Hilfsmittel für die Klassifizierung zur Verfügung. Sämtliche Hilfsmittel sind rechtlich nicht verbindlich und führen den Nutzer lediglich zu einer möglicherweise vorliegenden Güterlistenummer. Die Prüfung der Güterlistennummer muss immer manuell im Rahmen einer individuellen Prüfung erfolgen.
Die Güterklassifizierung als Herzstück der Exportkontrolle erfordert im Unternehmen individuelle Organisationsmaßnahmen, die Bestandteil des Internal Compliance Program (ICP) sein sollten. Wie die Klassifizierung durchgeführt wird, sollte jedes Unternehmen eigenverantwortlich festlegen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine aussagekräftige Dokumentation der durchgeführten technischen Prüfung und eine konsequente Pflege der Stammdaten.
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