Dort produzieren, wo die Stückkosten am niedrigsten sind: Jahrzehntelang sorgte diese Strategie von Industrieunternehmen für die Abwanderung ganzer Branchen aus den Industriestaaten in Europa, den USA und Japan. Nutznießer waren China, Südostasien, aber auch Bangladesh oder Mexiko. Jetzt könnte sich in Sachen Standortwahl eine Trendwende anbahnen. Das legt jedenfalls eine Studie von Miebach Consulting nahe. Das Beratungsunternehmen befragte 127 europäische und amerikanische Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und stellte einen Trend zum Nearshoring fest.
51 Prozent betreiben bereits Nearshoring
Das bedeutet: Die Unternehmen gehen verstärkt dazu über, die Produktion in der Nähe ihrer Absatzmärkte anzusiedeln. „51 % der an der internationalen Miebach-Studie beteiligten Unternehmen nutzen bereits die Verlagerung der Produktion in absatzmarktnahe Nachbarländer als Standortstrategie. Dieser überraschend hohe Anteil wird weiter ansteigen, denn 26 % der Teilnehmer sehen Nearshoring als Zukunftstrend in hohem oder sogar in sehr hohem Maße“, fassen die Miebach-Berater zusammen.
Die Bedeutung in für die einzelnen Wirtschaftsräume unterscheidet sich laut Miebach jedoch. Insbesondere in Europa wird die Nahverlagerung (Nearshoring) deutlich an Bedeutung gewinnen, während in Nordamerika verstärkt die Produktion im eigenen Land, das Onshoring, erwartet wird. Eine Verlagerung ins weiter entfernte Ausland bleibt dagegen in Asien interessant.
Chancen für Ost- und Südosteuropa
Im europäischen Kontext könnten beispielsweise
Südosteuropa, aber auch Russland, die Ukraine und die Türkei als
Industriestandorte an Bedeutung gewinnen – immer unter der Voraussetzung
politischer Stabilität und Investitionssicherheit für die Unternehmen.
„Moderne Produktionsmethoden ermöglichen eine stärkere
Kundenorientierung und liefern einen Wettbewerbsvorteil, wenn die Standortstrategie
stimmt. Hier wird Near- und Onshoring für Unternehmen immer wichtiger. Die
Bevölkerung insbesondere der großen Wirtschaftsregionen kann durch die
Produktion in Absatzmarktnähe von einer Zunahme an Arbeitsplätzen profitieren“,
sagt Bernd Müller-Dauppert, Mitglied der Geschäftsleitung bei Miebach Consulting
GmbH. Neben dem von Müller-Dauppert genannten Grund könnte auch eine Minimierung
der Supply-Chain-Risiken für das Nearshoring sprechen.