Never change a running system: Eine IT-Lösung
austauschen, obwohl die alte noch funktioniert? Leistet das neue System wirklich
so viel mehr, dass sich der Aufwand lohnt? Oder läuft nach der Umstellung womöglich
erst einmal gar nichts mehr? Das Management der Villiger Söhne GmbH ließ sich
bei der Entscheidung über den Austausch seines Warehouse Management Systems
(WMS) nicht von solchen Bedenken leiten. Es stellte stattdessen eine klare
Zielsetzung in den Vordergrund.
„Uns ging es um Transparenz,
Prozessverbesserungen und Effizienzsteigerungen in unseren Lagern. Das Geschäft
mit verbrauchssteuerpflichtigen Tabakwaren erfordert eine besonders hohe
Prozesssicherheit. Zudem wollen wir unseren Kunden eine verbesserte Lieferavisierung
anbieten“, fasst Andreas Lehmann, Head of Supply Chain Management bei Villiger
die wichtigsten Anforderungen zusammen. Mit dem alten System waren diese Ziele
nicht vollständig zu erreichen – Villiger entschied sich für einen Wechsel zum WMS von AEB.
Inzwischen ist der Wechsel in den beiden
Fertigwarenlagern in Waldshut-Tiengen und Bünde vollzogen, und die Vorteile
werden deutlich. Zum Beispiel bei der Inventur: Vor der Inbetriebnahme des WMS
von AEB stand gegen Jahresende immer die Stichtagsinventur an. Das große Zählen
in den beiden Fertigwarenlagern begann. Dies bedeutete, dass der operative
Lagerbetrieb für bis zu zwei Tage ruhen musste − und das mitten im größten
Weihnachtstrubel, wenn das Geschäft so richtig brummt und die Mitarbeiter
ohnehin voll eingespannt sind. „Wir sind in dieser Zeit regelmäßig in
Zielkonflikte geraten“, sagt Andreas Lehmann.
Entspannte
Prozesse bei der Inventur
Heute ist die Lage entspannter: Seit der
Einführung des WMS von AEB ist Schluss mit der lästigen Zählerei am Jahresende.
Statt einer Stichtagsinventur gibt es bei Villiger eine permanente Inventur.
„Die ist sensationell“, beschreibt Lehmann. Bestände sind auf Knopfdruck
sichtbar und werden im Laufe des Jahres gezählt − eingebettet in die übrigen Arbeitsprozesse.
Wenn der Wirtschaftsprüfer einmal im Jahr kommt, prüft er stichprobenartig
Bestände an den Lagerplätzen.
Die Verbesserungen in der Inventur sind nicht
die einzigen Vorteile des neuen WMS. Ein weiterer Vorteil ist der definierte
Einlagerungsprozess über einen definierten I-Punkt an der Schnittstelle
zwischen Produktion und Lager. Die aus der Produktion kommenden Waren werden
nach einem Eingangscheck manuell in den Lagerbestand eingebucht. Das System
wählt dann einen optimalen Lagerplatz aus.
Lagerwegeoptimierung
durch intelligente Einlagerung
Schnelldreher bekommen im Fertigwarenlager durch
das WMS automatisch die Plätze mit den kürzesten Laufwegen zugewiesen. Seltener
benötigte B- und C-Produkte werden entsprechend weiter hinten eingelagert. Über
Reorganisationsvorschläge kann der Lagerleitstand von Villiger die ABC-Klassifizierungen
zu Materialien anhand der Bewegungshistorie anpassen.
850 verschiedene Zigarren und Zigarillos
lagern in Waldshut-Tiengen und Bünde. Dazu kommen 150 Werbe- und
Eventmaterialien in Waldshut-Tiengen. In Bünde gibt es 750 Lagerplätze, in Waldshut-Tiengen
650 für versteuerte Ware und 200 für Zoll- und Steuerware. Im vergangenen Jahr
belieferte das Schweizer Familienunternehmen rund 13.500 Fachhändler,
Tankstellenbetriebe und Lebensmittelhändler in Deutschland. Außerdem wird Ware in mehr als 100 Länder
exportiert. Bestellungen, die vor 12 Uhr im Verkauf eintreffen, werden mit
Priorität noch am gleichen Tag kommissioniert.
Papierlose
Prozesse bei der Auslagerung
Gehen Bestellungen von den Kunden ein, kommissionieren
sie die Villiger-Lagermitarbeiter chargengerecht und wegeoptimiert. Statt wie
früher mit einer Kommissionierliste durch die Gänge zu laufen, erhalten sie
ihre Informationen heute papierlos. Der Scanner sagt dem Mitarbeiter, wo er das
Produkt findet und wie viel er genau an diesem Lagerplatz zu entnehmen hat. Dabei
kommen zwei unterschiedliche Kommissionierverfahren zum Einsatz. Paketsendungen
werden konsolidiert kommissioniert, um die Arbeit der Kommissioniermitarbeiter
möglichst effizient zu gestalten. Stückgutlieferungen werden im Pick-Pack-Verfahren
kommissioniert, sodass die Paletten nach Abschluss der Kommissionierung sofort im
Versandbereich zur Verladung bereitgestellt werden können.
Jedes Packstück wird mit einem Versandlabel versehen
und einem Transportdienstleister zugeordnet. Abhängig von der Versandart werden
die verladenen Paletten nochmals per Scan bestätigt, um die lückenlose
Nachvollziehbarkeit auch an der Übergabeschnittstelle zum Transportpartner
sicherzustellen. Dabei werden ausgehende Sendungen über eine Einlieferungsliste
quittiert. Den Spediteuren geht ein Avis per EDI zu.
Warenbewegungen
sind lückenlos nachvollziehbar
Das WMS ermöglicht die Prozess- und
Bestandssicherheit über den gesamten Prozess. „Alle Warenbewegungen sind lückenlos
nachvollziehbar“, freut sich Andreas Lehmann. Mit der Umstellung auf das WMS
sind die Voraussetzungen geschaffen, dass Villiger seine Kunden künftig mit Avisierungen
versorgen kann, die mehr Informationen als nur den Hinweis auf den Liefertermin
erhalten. Zum Beispiel die genaue Platzierung einer bestimmten Ware im
Packstück.
WMS und
ERP werden synchronisiert
Es gab aber noch weitere Anforderungen an das
WMS: Es musste vor allem mit dem führenden System von Villiger harmonieren: mit
SAP R3. Denn ohne saubere Schnittstellen geht im Versand gar nichts. AEB hatte Villiger
bereits vor dem WMS-Projekt bewiesen, dass Schnittstellen keine Hürden darstellen.
Die beiden Unternehmen arbeiten bereits seit 1999 zusammen. Damals stand bei
Villiger die Abbildung der Versandabwicklung im Fokus.
Nach und nach kümmerte sich AEB auch um Software-Unterstützung
für die Ein- und Ausfuhr, das Zolllager, EMCS und den Compliance Check. Seit
2015 wird die technische Systemumgebung der Anwendungen nicht mehr bei Villiger
selbst betrieben, sondern im AEB-Rechenzentrum gehostet. Via Cloud und Schnittstelle
fließen alle Informationen in die EDV von Villiger ein. Das klappt so
reibungslos, dass AEB sofort im Rennen war, als es um das WMS ging. Hier konnte
Villiger erfolgreich den modularen Aufbau der AEB Softwaresuite nutzen.
Softwaremodule, die sich bereits seit Jahren im operativen Systembetrieb
bewiesen haben wie die Außenwirtschaftsabwicklung oder die Versandabwicklung,
wurden durch die Integration des WMS-Moduls der AEB nahtlos ergänzt.
Gute
Zusammenarbeit in der Projektphase
Die Projektphase war von einer guten
Zusammenarbeit zwischen den AEB-Projektverantwortlichen um Projektleiter Ulrich
Lontke und dem Villiger-Projektteam aus Logistikern und IT-Fachleuten geprägt.
Das schloss auch den Logistikberater KD-Projekt-Consulting ein. Die
Beratungstochter des Logistikers Karl Dischinger (KD-PC) unterstützte das
Villiger-Projektteam zusammen mit der AEB bei der Organisation des
Fertigwarenlagers und beriet bei der operativen Umsetzung der Lager-Modellierung
in den einzelnen Lagerbereichen.
Systemwechsel
am Brückentag
Richtig spannend wurde es in der heißen Phase
kurz vor der Einführung des WMS. „Wir wollten bewusst in Bünde starten, weil wir
dort weniger komplexe Prozesse haben“, erinnert sich Lehmann. In Bünde wählte
man einen Brückentag, um das alte System mit einer Bestandsaufnahme abzuschließen
und die Bestände ins neue System zu überführen.
Nach dem erfolgreichen Start in Bünde folgte dann
Waldshut-Tiengen, wo es eine höhere Zahl von Prozessvarianten zu beachten gab. Beispielsweise
wird der Außendienst der Villiger Söhne GmbH von Tiengen aus versorgt und es
gibt ein größeres, differenzierteres Aktionsgeschäft. Die Unterschiede zwischen
Bünde und Waldshut-Tiengen wurden mit einer Deltaanalyse in den
Implementierungsplan einbezogen. Außerdem halfen die Erfahrungen aus Bünde und
gründliche Funktions- und Integrationstests. „Wir waren noch im Thema drin.
Dennoch war die Umstellung in Waldshut-Tiengen höchst anspruchsvoll und
erforderte den vollen Einsatz der gesamten Mannschaft“, erinnert sich Logistikchef
Lehmann. Während der Go-live-Phase unterstützte das AEB-Projektteam die
Villiger-Lagerlogistiker vor Ort und später remote.
Fachliche
Kompetenz und hohe Motivation aller Beteiligten
Weder die Umstellung in Bünde noch die in Waldshut-Tiengen
störte die Auslieferungsprozesse. „Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung
waren sicherlich die fachliche Kompetenz und die sehr hohe Motivation aller
Beteiligten. Und natürlich der feste Wille im Team, die gesteckten und
vereinbarten Ziele zu erreichen und unsere Prozesse zu verbessern”, schwärmt
Lehmann.
Villiger zeigt einmal mehr: Man muss keine
Angst haben, Prozesse zu hinterfragen und neue Weg zu beschreiten. „Change a
running system“ hat sich gelohnt – auch wenn damit ein hoher Aufwand für
Planung und Umsetzung einhergeht. Als alle Ampeln auf Grün standen, war für
Chef-Logistiker Lehmann klar: „Alle mit der Projektumsetzung vereinbarten und anvisierten
Ziele wurden erreicht .“ Und das gesamte Team kommt seither auch deutlich entspannter
durch den Weihnachtstrubel.