EU: Vom UZK-Arbeitsprogramm zur Zollrechtsreform
EU Zollrecht

EU: Vom UZK-Arbeitsprogramm zur Zollrechtsreform

Verzögerte Aktualisierungen nationaler Zoll-IT-Systeme in der EU haben auch Auswirkungen in Deutschland. Längerfristig steht eine Reform des EU-Zollrechts am Horizont.

Warum das Ausfuhrbegleitdokument (ABD) nicht so schnell abgeschafft, die Phase 5 von NCTS wohl erst später wirksam und die Zentrale Zollabwicklung für die Einfuhr noch optimiert werden können – das erklärt sich auch aus dem Zusammenspiel der nationalen Systeme auf EU-Ebene. Auf lange Sicht wird die EU-Zollreform den bisherigen Unionszollkodex (UZK) ablösen, doch bis dahin werden die IT-Systeme nach dem im UZK-Arbeitsprogramm festgelegten Zeitplan weiterentwickelt.

Regelmäßig gibt die Europäische Kommission einen Bericht zum Fortschritt der Arbeiten heraus, zuletzt im Februar 2023. Darin wird deutlich: bei einer Reihe von Vorhaben gab es Verzögerungen bzw. ist die geplante Deadline für den Echtbetrieb gefährdet. Deutschland liegt bislang gut im Plan, ist aber auch von Verzögerungen anderer EU-Staaten betroffen. Darüber hinaus gab die EU-Kommission Im Mai 2023 per Pressemitteilung einen Ausblick auf „die ehrgeizigste und umfassendste Reform der EU-Zollunion seit deren Gründung im Jahr 1968“.

Wir werfen einen Blick auf die anstehenden Änderungen, die entstandenen Verzögerungen – und geben einen kurzen Ausblick auf die geplante große Zollrechtsreform.

NCTS: Phase 5 im gemeinsamen Versandverfahren

Nicht nur Mitgliedstaaten der EU inklusive Monaco, sondern auch San Marino, Andorra, Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island, Türkei, Nordmazedonien, Serbien, das Vereinigte Königreich und die Ukraine sind am NCTS-Versandverfahren beteiligt. Alle sollen zum 1. Dezember 2023 vom jetzigen NCTS Phase 4 auf NCTS Phase 5 umstellen. Einzelne Länder haben bereits um eine Verschiebung gebeten.

Der momentan laufende Wechsel auf das aktuelle ATLAS NCTS-Release bereitet darauf vor – ist damit aber nicht zu verwechseln. Zwar wurden Datenstrukturen und Felder schon aus Phase 5 übernommen, die Feldbedingungen sind jedoch noch in einem zu Phase 4 kompatiblen Modus. Sind alle Länder bereit, erfolgt im laufenden Release eine Umstellung der Feldbedingungen und beim Zugelassenen Empfänger auch der Abläufe.

Offene Fragen zur praktischen Abwicklung

Mit dem neuen ATLAS-Release müssen Ausfuhranmeldungen quasi 1:1 ins Versandverfahren übernommen werden. Eine Zusammenfassung von Positionen dürfte kaum mehr praktikabel sein. Dabei muss auch die Warennummer achtstellig im Versandverfahren angegeben werden. Wie geht man in der Praxis vor?

Nach den mit Phase 5 anwendbaren Vorschriften ist das VBD nicht mehr verpflichtend, nur MRN und Barcode müssen die Ware begleiten. Wie erkennt dann der Empfänger, ob das Versandverfahren überhaupt für ihn bestimmt ist oder ob unterwegs Ereignisse aufgetreten sind, wenn kein VBD vorgelegt wird, auf dem die nötigen Angaben stehen?

Zentrale Zollabwicklung und Gesamtsicherheit: die Herausforderungen

Von den Verzögerungen bei der Umsetzung der UZK-Systeme in anderen Mitgliedstaaten ist unter anderem die Zentrale Zollabwicklung betroffen. Für Unternehmen in Deutschland dürften sich insbesondere Vereinfachungen bei der Zentralen Zollabwicklung Einfuhr verzögern oder diese nur mit ausgewählten anderen Mitgliedstaaten anwendbar sein.

Die EU-weit zentrale Verwaltung von Sicherheiten, die im IT-Projekt GUM vorangetrieben wird, scheint ebenfalls von Verzögerungen betroffen zu sein. Unternehmen müssen daher weiterhin mit mehreren Gesamtsicherheiten statt einer leben.

Aufschub beim Import Control System Phase 2

Bei ICS2 greifen die Wirtschaftsbeteiligten und die Zollverwaltungen in der Regel auf das zentrale System der EU zu. Auf ihrer Seite zu ICS2 Phase 2 bietet die EU-Kommission Schulungsunterlagen für Wirtschaftsbeteiligte, insbesondere Airlines, Luftfrachtspeditionen, Zolldeklaranten – und Informationen u. a. über den Onboarding-Prozess.

Sie erfahren dort auch mehr zum Vorgehen anlässlich des zwölf Mitgliedstaaten bis Ende Juni 2023 gewährten Aufschubs (derogation) bei der Einführung von ICS2.


Mehr zum Aufschub

Von der ICS2-Verschiebung ist auch die Summarische Eingangsanmeldung mit allen anschließenden Prozessen wie Ankunftsmeldung, Gestellungsmitteilung, Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung und Einfuhrzollanmeldung betroffen. Manchen Mitgliedstaaten wurde Aufschub bis Jahresende gewährt (Durchführungsbeschlüsse 2023/234-237 vom 1. Februar 2023). Bei Ankunftsmeldungen, Gestellungsmitteilungen und Anmeldungen zur vorübergehenden Verwahrung für Waren, die nicht auf dem Luftweg in das Zollgebiet der Union verbracht wurden, geht die Frist bis Ende Februar 2024.

Das Ende des Ausfuhrbegleitdokuments

Das ATLAS Implementierungshandbuch für AES 3.0 verweist an mehreren Stellen auf eine EU-weite Übergangszeit von ECS (dem bisherigen „Export Control System“) auf AES (die neue UZK-konforme IT). Manche Textfelder, beispielsweise in Adressen, erlauben dann eine längere Eingabe. An bestimmten Stellen können unter anderem mehr Unterlagen, Vorpapiere und höhere Gewichte angegeben werden.

Außerdem soll das Ausfuhrbegleitdokument (ABD) entfallen. Mit der ATLAS- Info 0468/23 hat der deutsche Zoll allerdings dargelegt, dass das ABD so lange erhalten bleiben wird, bis alle Mitgliedstaaten auf AES umgestellt haben. Dafür stellt der Zoll eine EU-weite alternative Lösung in Aussicht, die auch im Betriebskontinuitätsverfahren genutzt werden kann – und einen Ersatztermin für die bisher zum 1. Dezember 2023 geplante EU-weite Umstellung auf AES.


Hinweis aus der Verfahrensanweisung zum IT-Verfahren ATLAS 

In der Verfahrensanweisung zum IT-Verfahren ATLAS zum bereits jetzt möglichen Vorgehen heißt es:

Erfolgt der gesamte Ausfuhrvorgang im deutschen Hoheitsgebiet, kann auf den Ausdruck und die Vorlage des ABD bei der Ausgangszollstelle verzichtet werden. In diesem Fall sind der Ausgangszollstelle die MRN und der Barcode vorzulegen.

Ist dem Anmelder bekannt, dass die Ausgangszollstellen eines anderen Mitgliedstaates auf die Vorlage eines ABD verzichten, ist der Ausdruck des ABD ebenfalls entbehrlich. Etwaige Unsicherheiten/ Risiken gehen in diesem Fall zu Lasten des Anmelders.

Ausblick: Die EU-Zollrechtsreform

Die geplante Reform des EU-Zollrechts wird den UZK in seiner jetzigen Form ablösen – eine konsequente Digitalisierung soll die Zollabwicklung in der EU effizienter und transparenter machen. Das Ziel: Durch die Bereitstellung von Daten über die gesamte Lieferkette kann der Zoll Gefahren besser erkennen und ihnen begegnen. Zudem werden im E-Commerce Online-Plattformen stärker in die Pflicht genommen. Die wichtigsten Eckpunkte im Überblick: 

  • EU-Zolldatenplattform und EU-Zollbehörde
    Eine neue EU-Zolldatenplattform soll die nationalen Einfuhr-Zollsysteme auf lange Sicht ablösen. Unternehmen speisen darin Daten über die gesamte Lieferkette ein, was auch die Produktion im Drittland umfassen kann.
    Betrieben wird diese Zolldatenplattform von einer ebenfalls neu zu schaffende EU-Zollbehörde. Sie soll auch für eine EU-weit einheitliche Risikoanalyse sorgen und die Zusammenarbeit zwischen den EU- und nationalen Behörden fördern.
  • "Trust & Check"-Händler
    Gewissermaßen als Weiterentwicklung des AEO soll eine neue Partnerschaft mit besonders vertrauenswürdigen Unternehmen entstehen. Bei entsprechender Transparenz über ihre Lieferkette erhalten die sogenannten "Trust & Check"-Händler besondere Vereinfachungen bei der Zollabwicklung – beispielsweise die Einfuhrabfertigung an ihrem Firmensitz, unabhängig davon, wo die Waren in der EU eintreffen, oder die Einfuhr ohne aktives Tätigwerden des Zolls.

  • Elektronischer Handel
    Online-Plattformen gelten mit der EU-Zollreform als Einführer und werden damit unter anderem für die Entrichtung von Zoll und Einfuhr-Umsatzsteuer verantwortlich. Vor dem Hintergrund anhaltender Unterfakturierung soll auch die 150-Euro Schwelle entfallen, unter der keine Zölle erhoben werden. Im Gegenzug soll im E-Commerce ein stark vereinfachter Zolltarif angeboten werden – der Vorschlag der EU-Kommission enthält nur noch fünf verschiedene Zollsätze von 0, 5, 8, 12 und 17% , die in Abhängigkeit vom Kapitel vergeben sind, in das die importierte Ware eingereiht wird.

  • „Intelligente Zollkontrollen“
    Künstliche Intelligenz soll, so die Verlautbarung, zur Datenanalyse eingesetzt werden, sodass Probleme erkannt werden könnten, noch bevor die Versendung der Waren in Richtung EU begonnen hat. Auf diese Weise könnten die EU-Zollbehörden ihre Ressourcen besser bündeln, besser kontrollieren und gleichzeitig die ordnungsgemäßen Zölle bzw. Steuern erheben.

Die Einführung soll in Stufen erfolgen. Ab 2028 können Händler im Bereich des E-Commerce mit der Teilnahme an der EU-Zolldatenplattform beginnen. Ab 2032 sollen alle anderen Unternehmen folgen können und ab 2038 wird die Teilnahme nach den jetzigen Planungen verpflichtend. Über die Inhalte und den Verlauf der Einführung informiert die EU auf ihrer Webseite zur EU Customs Reform. 

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