Internationalen Lieferketten: Interview mit Winfried Kretschmann
Interview

Internationalen Lieferketten: Interview mit Winfried Kretschmann

Winfried Kretschmann über die drei großen Themen in den internationalen Lieferketten: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und aufkommender Protektionismus.

Die Digitalisierung wird die Arbeitswelten in Zukunft massiv verändern. Das bietet neben Chancen auch Risiken, etwa die Gefahr auf Arbeitsplatzverlust. Wie sehen Sie die Auswirkungen auf die Industrie?

Ministerpräsident Kretschmann: Die Digitalisierung hat alle Lebensbereiche ergriffen und durchdringt diese – auch die Wirtschaft, und zwar in einem riesigen Tempo. Dem müssen wir uns stellen, wir können nicht sagen: „Das vernichtet vielleicht auch Arbeitsplätze, deswegen machen wir es nicht.“

Im Moment ist es nämlich umgekehrt, uns fehlen viele IT-Leute in der Bundesrepublik Deutschland. Daran sieht man: Erst mal werden auf diesem Gebiet durch das Wachstum enorm viele Arbeitsplätze geschaffen. Dafür wollen wir wollen tun, dass wir genügend Nachwuchs haben. Wir konzentrieren uns in den Schulen drauf, aber wir müssen auch Leute einwandern lassen, die wir da gut gebrauchen können.

Natürlich schafft eine neue Technologie auch Probleme, Cybersicherheit zum Beispiel, aber eben auch, dass Arbeitsplätze entfallen. Wir müssen immer schauen, dass auf der anderen Seite Arbeitsplätze entstehen. Und da bin ich ganz sicher, das wird der Fall sein. Und das in der Balance zu halten, dazu ist ja die Politik da: Um Rahmenbedingungen zu schaffen, dass das nicht mit Verwerfungen einhergeht, sondern ein Prozess ist, bei dem das Land nachher besser da steht wie vorher.


Wenn es um den Transport von Waren geht, dominieren in der Logistik fossile Kraftstoffe. Was müssen die Unternehmen tun, was muss der Wirtschaftsbereich Logistik tun, damit er ökologisch wirklich nachhaltig wird?

Ministerpräsident Kretschmann: Erst mal muss die Logistik schauen, dass sie durch mehr digitale Intelligenz zum Beispiel unnötige Fahrten beseitigt. Das ist schon mal ein wichtiger Faktor, damit wir effizienter transportieren und damit weniger Schadstoffe erzeugen. Das findet ja schon statt. Zudem müssen wir möglichst viele Transporte auf umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Bahn und Schiffe bekommen.

Zweitens müssen wir auch in der Logistik in eine emissionsfreie Zukunft kommen, wie wir das bei den Pkws machen. Auch das wird kommen. Für größere Transporte werden zum Beispiel die sogenannten e-fuels eine große Rolle spielen, also Kraftstoffe, die aus regenerativen Energien gewonnen werden. Wir machen viele interessante Versuche, zum Beispiel den Lkw-Transport auf der Autobahn zu elektrifizieren mit Oberleitungen. Das ist gerade ein Pilotprojekt, das wir Gott sei Dank an Land ziehen konnten.


Im globalen Handel gibt es in einigen Regionen, etwa in der Türkei oder den USA, protektionistische Tendenzen. Wie sehen Sie diese Entwicklungen und was bedeuten diese für die exportorientierte Wirtschaft in Baden-Württemberg und Deutschland?

Ministerpräsident Kretschmann: Also das Geschäftsmodell von Baden-Württemberg ist jedenfalls das Gegenteil: Freihandel. Wir exportieren den Großteil unserer Güter. Dadurch steigt im Zielland die Wertschöpfung, denn das sind ja Bestprodukte. Schon daran sieht man, dass Protektionismus nicht gelingen kann, weil auch die Empfänger durch unseren Export wettbewerbsfähiger werden, indem sie die Güter etwa in ihre Produktionsketten einbauen.

Andere Volkswirtschaften müssen schauen, dass sie auch wettbewerbsfähig werden, d.h. dass wir einen fairen Wettbewerb haben. Darauf kommt es an. Ich sage nur China, das ist ein wichtiger Exportmarkt. Er ist nur leider unsymmetrisch, die Chinesen haben bei uns ganz andere Chancen als wir bei ihnen. Das sind Dinge, die wir abbauen müsse. Aber zurück in den Protektionismus zu gehen, das kann mittelfristig und auf lange Sicht überhaupt nicht gutgehen. Protektionismus war nie ein Erfolgsmodell. Wann immer es versuch wurde, hat er allenfalls ein Strohfeuer entfacht.

Das Interview führte Jens Verstaen.