
Digitaler Frachtbrief in vielen Speditionen noch nicht Realität
Die papierlose Transportkette klingt hocheffizient. Die Umsetzung in der Praxis gestaltet sich jedoch schwierig. Auch weil rechtliche Voraussetzungen fehlen.
Die papierlose Transportkette klingt hocheffizient. Die Umsetzung in der Praxis gestaltet sich jedoch schwierig. Auch weil rechtliche Voraussetzungen fehlen.
Es ist ein gewohntes Bild in den Logistikzentren von Industrie und Handel: Mehr oder weniger stehen die Lkw-Fahrer vor dem Counter der Versandleitung in der Schlange an, um ihre Frachtpapiere in Empfang zu nehmen. Dazu gesellen sich Fahrer, die ihre Ladung gerade entladen haben und einen Stempel für ihren Abliefernachweis brauchen. Keine große Sache, aber es dauert alles seine Zeit. Betriebswirten ist klar: Hier wird Geld verbrannt.
Fest steht: Im Zeitalter der Digitalisierung sollte es schlankere Verfahren geben. Schließlich werden längst Transportaufträge über Vergabeplattformen elektronisch erteilt, Transportlabel im System des Verladers gedruckt oder Tracking-Informationen elektronisch übermittelt. Fortschrittliche Verlader haben sich Kollaborationsplattformen aufgebaut, mit denen sie ihre Logistikpartner managen. Allein dem papiernen Frachtbrief hat all dies nicht den Garaus gemacht. Hauptgrund: Es gibt die rechtlichen Voraussetzungen für einen digitalen Frachtbrief erst seit kurzer Zeit; zum Teil müssen sie sogar noch geschaffen werden.
Die gesetzliche Grundlage für Deutschland findet sich seit dem Jahr 2013 im Handelsgesetzbuch (HGB). „Dem Frachtbrief gleichgestellt ist eine elektronische Aufzeichnung, die dieselben Funktionen erfüllt wie der Frachtbrief, sofern sichergestellt ist, dass die Authentizität und die Integrität der Aufzeichnung gewahrt bleiben“, heißt es in § 408 Abs. 3 HGB. Für Näheres wird auf eine Rechtsverordnung verwiesen. „Allerdings gibt es diese Verordnung bis heute nicht“, sagt Prof. Thomas Wieske, Leiter des Instituts für Logistikrecht & Riskmanagement an der Hochschule Bremerhaven. Die Folge: Der elektronische Frachtbrief läuft bisher ins Leere.
Ein zweiter rechtlicher Haken betrifft den elektronischen Frachtbrief für den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr. Bereits im Jahr 2008 stellten die 56 Mitgliedstaaten des CMR-Abkommens (Internationale Vereinbarung über Beförderungsverträge auf Straßen) in einer Anlage zum Abkommen die Weichen. Elf Staaten, darunter Dänemark, die Niederlande, Frankreich, Spanien, die Schweiz und Tschechien haben das Protokoll bereits ratifiziert. Deutschland ist noch nicht darunter. Das könnte sich bald ändern. Die Verbände des Transportgewerbes, namentlich der BGL und der DSLV als Speditionsverband, sehen Vorteile für ihre Mitglieder und setzen sich für den elektronischen Frachtbrief ein. „Die Ratifizierung sollte nach Ansicht des DSLV schnellstmöglich erfolgen“, sagt Hubert Valder, Justitiar des Verbandes.
Valder sieht die Vorteile des elektronischen Frachtbriefs in den Digitalisierungsmöglichkeiten von Prozessen rund um den Transport. Ein elektronischer Frachtbrief ermögliche die Weitergabe von Informationen wie Warenempfang oder -übernahme in Echtzeit. „Außerdem entstehen geringere Kosten für Archivierung und Versand von Dokumenten“, so Valder. Der niederländische Frachtführerverband TLN nennt sogar Zahlen. 180 Mio. EUR könnte der Logistiksektor durch den e-CMR einsparen. Das entspricht einer Summe von ungefähr 4 EUR pro Frachtbrief.
Bis dieses Geld eingespart werden kann, sind ein paar Hürden zu nehmen. „Mit einem PDF ist es nicht getan“, verdeutlicht Transportrechtsexperte Wieske, der mehrere Voraussetzungen für eine Lösung nennt.
In den Niederlanden gibt es bereits konkrete Lösungen. Der Frachtführerverband TLN und die Verladerorganisation EVO haben zusammen die Plattform TransFollow ins Leben gerufen, die sich zu einem Standard für elektronische Frachtbriefe entwickeln soll. „Jeder Beteiligte kann sich mit der TransFollow- Plattform verbinden und von der eigenen Betriebssoftware aus Daten austauschen, digitale Unterschriften für den Empfang oder die Lieferung setzen und den Status der Sendung verfolgen“, werben die Organisationen.
TransFollow gehört auch zu den Partnern des ersten Probelaufs mit dem elektronischen CMR-Frachtbrief bei grenzüberschreitenden Transporten zwischen dem spanischen Huelva und Perpignan (Frankreich). Dieser läuft seit Mitte Januar und wird durch den Internationalen Dachverband IRU unterstützt. Bis Ende des Jahres 2017 soll der Test auf andere Länder und weitere Partner ausgedehnt werden. IRU-Generalsekretär Umberto D’Pretto erwartet von dem elektronischen Frachtbrief neben Vorteilen bei den Prozesskosten eine schnellere Fakturierbarkeit von Waren- und Transportrechnungen, mehr Transparenz und eine Reduzierung von Warenverlusten. Im deutschen Gewerbe gibt es noch eine weitere Hoffnung. Der elektronische Frachtbrief könnte unter anderem die Kontrolle von Kabotagefahrten und die Ahndung illegaler Kabotage durch das Bundesamt für Güterverkehr erleichtern.