Der andauernde politische Konflikt zwischen der deutschen
und der türkischen Regierung hat sich im 1. Halbjahr 2017 deutlich in der
Handelsbilanz zwischen beiden Ländern niedergeschlagen. Das geht aus dem
Export- / Import-Seismografen Deutschland (ESD/ISD) hervor, den das Institut
für Angewandte Logistik (IAL) der Hochschule Würzburg-Schweinfurt und das auf
Außenwirtschaft sowie Logistik spezialisierte Softwarehaus AEB gemeinsam
herausgeben.
Gemessen am Wert fielen die deutschen Exporte in die
Türkei um 10 Prozent auf 10,4 Mrd. EUR zurück. Gemessen am Gewicht legten die
deutschen Türkei-Exporte dennoch um 5,7 Prozent zu. „Die stark unterschiedliche
Entwicklung der Exportwerte und -gewichte in die Türkei rührt daher, dass
insbesondere die Automobilindustrie mit ihren hochwertigen Gütern deutlich
weniger in die Türkei ausgeführt hat“, sagt Prof. Christian Kille vom IAL. Auch
der Maschinenbau verzeichnete Rückgänge. „Angesichts des ansonsten dynamischen
Exportwachstums von 6,1 Prozent spricht vieles dafür, dass der Rückgang im
Türkei-Handel vor allem politische Gründe hat“, kommentiert AEB-Geschäftsführer
Markus Meißner.
Die Importe aus der Türkei stiegen zwar um 3,3 Prozent auf
8,1 Mrd. EUR an – damit partizipierte die Türkei jedoch weit
unterdurchschnittlich am deutschen Importboom in den ersten sechs Monaten
dieses Jahres. Insgesamt importierte Deutschland Güter im Wert von 516 Mrd. EUR
aus dem Ausland – das sind 9,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Deutliche Zunahme
der Zahl von Handelshemmnissen in der Türkei
Auch für die Zukunft deutet nichts darauf hin, dass der
deutsch-türkische Handel schnell auf einen nachhaltigen Wachstumspfad
zurückkehrt. Dem Außenwirtschaftsreport 2017 der Deutschen Industrie- und
Handelskammer zufolge schränkt eine steigende Zahl von Handelshemmnissen durch
die türkische Verwaltung die Geschäftsaussichten deutscher Exporteure ein. 23
verschiedene Verordnungen zur Produktsicherheit bestimmter Warengruppen hat die
Türkei nach Erkenntnissen der IHK Region Stuttgart allein im laufenden Jahr
erlassen. Auch die deutsche Regierung übt in dem Konflikt Druck aus: Im zweiten
Halbjahr 2017 wird der restriktive Kurs bei Genehmigungen von Rüstungsexporten
in die Türkei greifen, den Außenminister Sigmar Gabriel angekündigt hat. 2016
exportierte Deutschland Rüstungsgüter im Wert von 84 Mio. EUR an den
NATO-Partner Türkei.
„Langfristig ist ein Handelskonflikt für die Türkei
riskanter als für die deutsche Seite. Der Anteil der Türkei an den deutschen
Exporten liegt gemessen am Wert bei 1,7 Prozent. Umgekehrt gehen mehr als 10
Prozent der türkischen Exporte nach Deutschland“, fasst Prof. Christian Kille
zusammen.
Russland-Geschäft
boomt trotz Sanktionen
Mit Ausnahme der Türkei und dem von einer Wirtschaftskrise
geschüttelten Brasilien boomte die deutsche Außenwirtschaft im 1. Halbjahr
2017. Die gesamten Exporte legten im Vergleich mit dem Vorjahreshalbjahr um 6,1
Prozent auf 638 Mrd. EUR zu. Gemessen an der Menge betrug das Wachstum 2,5
Prozent, wobei Waren mit einem Gewicht von 205 Mio. t ausgeführt wurden.
Wachstumslokomotiven beim Export waren – gemessen am Wert – China (+13,4
Prozent) und Russland (+26,1 Prozent). Bemerkenswert ist vor allem die Erholung
des Handels mit Russland. „Trotz der nach wie vor geltenden Sanktionen und
Gegensanktionen aufgrund des Ukraine-Konfliktes nähern sich Im- und Exporte
wieder den früheren Zahlen an“, sagt Kille.
Haupthandelspartner Deutschlands bleiben die anderen
EU-Staaten mit einem Anteil von 60 Prozent am gesamten Exportwert und einem
Anteil von 76,5 Prozent gemessen an den Exportmengen. Auf der Importseite sind
die Verbindungen ähnlich eng. Mit einem Wachstum von 5,5 Prozent beim Wert und
2,4 Prozent beim Gewicht trugen die EU-Staaten maßgeblich zu dem starken
Exportergebnis Deutschlands bei. Eine Ausnahme bildet Großbritannien. Die
deutschen Unternehmen exportierten 3 Prozent weniger (gemessen am Exportwert)
an den nach den USA und Frankreich drittgrößten Exportpartner. „Das liegt auch
am schwachen Pfund. Außerdem hören wir von unserer britischen
Tochtergesellschaft, dass sich angesichts der unklaren Situation beim Brexit
die Unternehmen mit Investitionen zurückhalten. Das trifft auch den deutschen
Export“, erklärt Markus Meißner.
Export wird für
Unternehmen immer komplexer
Meißner weist darauf hin, dass sich die deutschen
Exporteure trotz der guten Halbjahreszahlen keineswegs in einer Komfortzone
befinden. „Angesichts der weltweit wieder wachsenden Zahl von Handelshemmnissen
wird der Außenhandel immer komplexer. In vielen Ländern sind Exporte ohne
lokale Zollkompetenz entweder durch eigene Mitarbeiter oder durch
spezialisierte Zollagenten kaum effizient durchzuführen. Es ist für
Unternehmen, die in vielen Exportmärkten aktiv sind, eine große
Herausforderung, die Broker oder lokalen Zollabteilungen an die zentrale
Zoll-IT anzubinden. Hier sind durchgängige Lösungen nötig“, sagt Meißner.