"Wir sehen uns als Tech Company"
Interview

"Wir sehen uns als Tech Company"

Ivan Tintore, CEO von MAITSA in Barcelona, erklärt, warum sein Unternehmen mehr ist als ein Zollbroker.

AEB: Ivan, welche Rolle spielt Technologie für dich persönlich und für MAITSA?

Ivan: Technologie spielt für uns definitiv eine große Rolle. MAITSA ist ein Familienunternehmen mit einer 50-jährigen Geschichte, und wir waren von Anfang an aufgeschlossen gegenüber Neuerungen, die uns und unseren Kund*innen die Arbeit erleichtert haben. Deshalb sahen wir auch die Digitalisierung als große Chance. MAITSA war das erste Unternehmen, das digital über das EDI-System mit den spanischen Zollbehörden kommunizierte.

AEB: Ein großer Schritt.

Ivan: Außerdem haben wir mit iContainers eine der ersten Online-Frachtspeditionen gegründet …

AEB: … basierend auf einer digitalen Plattform, auf der importierende bzw. exportierende Unternehmen Gebühren in Echtzeit vergleichen und Frachten direkt buchen konnten.

„Wir haben ein tech-affines Team in einem Umfeld, das immer noch sehr papierlastig ist.“

Ivan: Heute haben wir bei MAITSA ein junges, tech-affines Team in einem Umfeld, das immer noch sehr papierlastig und analog ist. Dementsprechend arbeiten wir inzwischen auch weitgehend remote. Früher hatten wir unsere 16 Mitarbeitenden in unserem Büro in Barcelona, und natürlich hatten wir Leute am Flughafen und am Seehafen. Die Corona-Pandemie haben wir genutzt, um uns neu aufzustellen, gleichzeitig ist das Business digitaler geworden. Derzeit arbeiten alle die meiste Zeit von zuhause aus und wir wechseln uns mit Office-Zeiten ab, um uns vor Ort um die Dokumentation zu kümmern. Und alle paar Wochen treffen wir uns für ein großes Update.

AEB: Bekommt ihr noch viele analoge Daten?

Ivan: Wir sehen, dass die Dinge da langsam in Bewegung geraten. Aber: Wir bekommen nach wie vor viele analoge Daten per Post, was natürlich nicht optimal ist. Denn sie müssen ins System eingegeben werden, während wir die digitalen Daten zu großen Teilen automatisiert verarbeiten können. Außerdem führt das dazu, dass wir noch abwechselnde Präsenzzeiten haben.

AEB: Wie viel Arbeit nimmt das bei euch in Anspruch?

Ivan: Das nimmt Zeit in Anspruch, vor allem, wenn auch Daten fehlen, was natürlich vorkommt. Wir haben ein Team, das die Daten eingibt und vervollständigt und eines, das sich um eventuelle Rückfragen von Zollbeamt*innen kümmert.

AEB: Wie handhabt ihr die Zoll-Rückfragen?

Ivan: Wir haben ein Ampelsystem für die unterschiedlichen Deklarationen. Grün heißt alles korrekt – in diesem Fall brauchen wir uns nur um die korrekte Dokumentation zu kümmern. Hier in Spanien müssen diese Dokumente vier Jahre lang aufgehoben werden. Gelb bedeutet, der Zoll benötigt die Dokumentation und rot heißt meistens, dass wir eine physische Inspektion der Ware begleiten und die entsprechenden Formulare vorbereiten. Das kann beispielsweise eine Hygieneprüfung oder ähnliches sein. In diesem Fall kommen unsere Expert*innen direkt aus dem Home Office zum entsprechenden Warenstandort, einem Hafen oder Flughafen, und kümmern sich um die Abnahme.

AEB: Auch hier arbeitet MAITSA komplett dezentral …

Ivan: Ja – wir sehen uns als Netzwerk. Ein Broker Hub, verbunden über unsere Software. Das macht uns agil und reaktionsschnell.

AEB: Was denkst du generell über den Stand der Digitalisierung im Customs Management?

Ivan: Lass es mich vorsichtig ausdrücken: Es gibt noch jede Menge zu tun.

Ivan Tintore, CEO Maitsa
Ivan Tintore, CEO Maitsa

MAITSA CEO Ivan Tintore

Über MAITSA

MAITSA ist ein Full Service Dienstleister im Bereich Customs Brokerage mit über 50 Mitarbeitenden, 50 Jahren Markterfahrung und einem Schwerpunkt auf Innovation und neuen Technologien. Das Ziel des Familienunternehmens aus Barcelona: Kund*innen zu helfen, ihren gesamten Logistikprozess zu verbessern. Dazu gehört die Reduktion von Papiereinsatz und Bearbeitungszeit durch Digitalisierung und Automation. Ergänzend zu den Zolldienstleistungen bietet MAITSA Beratung und Schulung in Zollangelegenheiten an.

"Trotz einiger Fortschritte steckt die Digitalisierung im gesamten Zollbereich noch immer in den Kinderschuhen."

AEB: Was sind die konkreten Punkte, die sich ändern müssen?

Ivan: Trotz einiger Fortschritte steckt die Digitalisierung im gesamten Zollbereich noch immer in den Kinderschuhen – in der gesamten Customer Journey. Oft fehlt das Grundverständnis, dass Digitalisierung viele Ressourcen spart. Das bedeutet natürlich: großes Potenzial, um Customs Management für uns und die Kund*innen noch besser zu kommunizieren und zu machen. Wir sind dran und ich bin gespannt, was sich in den kommenden Jahren tut.

AEB: Heißt das für Dich, Digitalisierung im Zoll ist auch eine Sache des Marketings?

Ivan:
Klar. Zur Digitalisierung gehört ja nicht nur der Zoll-„Prozess“, sondern der ganze Weg der Nutzer*innen von der Suche nach dem geeigneten Unternehmen bis zum Troubleshooting. Uns ist es nicht nur wichtig, für unsere Kund*innen sehr gute Arbeit zu leisten, sondern auch, dass wir von den Menschen gefunden werden, denen wir helfen können. Interessent*innen suchen aus unterschiedlichsten Gründen und in verschiedenen Situationen nach Zolldienstleistungen. Deshalb erachten wir auch Marketing-Tools und beispielsweise SEO-Maßnahmen für sehr wichtig …

AEB: … also die Suchmaschinenoptimierung der angebotenen Inhalte.

Ivan: Ja, beispielsweise braucht man eine zielgerichtete und optimierte Website, damit die Kund*innen verstehen, was wir anbieten und wie wir es anbieten. Interessierte, die unsere Website besuchen, wissen jederzeit was sie tun müssen und wie wir ihnen helfen. Meiner Meinung gehört auch das zum digitalen Zollprozess.

AEB: Das heißt, die Kund*innen werden bei ihrem Problem abgeholt und in einen digitalisierten Prozess überführt?

Ivan: Genau. Und das beginnt wie gesagt schon vor der eigentlichen Zusammenarbeit. Viele Zoll-Dienstleister versprechen erst einmal alles. Für uns ist es wichtig, unsere Kund*innen zu kennen, zu wissen, womit wir es zu tun haben. Wir erklären genau, was wir anbieten und wie. Außerdem heißt für viele „Digitalisierung“ lediglich, dass sie ein PDF verschicken. Der komplette, integrierte Prozess fehlt, genau wie das Verständnis für die technische Seite. Deshalb sehen wir uns auch nicht nur als Customs Broker, sondern als Tech Company.

AEB Customs Broker Network
AEB Customs Broker Network

Lernen Sie unsere Broker kennen

In einer Interviewserie stellen wir Ihnen unsere Zollbroker rund um den Globus vor und berichten von ihren täglichen Herausforderungen mit dem Zoll. 

Einige sind Generalisten, andere haben sich auf bestimmte Güter spezialisiert aber alle von ihnen sind absolute Expert*innen für ihr Land bzw. ihre Länder. Sie sind Teil des AEB Customs Broker Network. In diesem finden Unternehmen ganz unkompliziert erfahrene und zuverlässige Zollbroker. 

„Wir sehen uns nicht nur als Customs Broker, sondern als Tech Company.“

AEB: Das geht über eine reine Digitalisierung der Abläufe heraus – wie kam dieser Tech-Fokus zustande?

Ivan: Wie gesagt war uns der technische Aspekt immer wichtig, seit wir mit digitalen Technologien arbeiten. Am Anfang hatten wir dafür externe Unternehmen, aber wir waren mit den Lösungen nicht zufrieden. Also wurden wir unser eigener Tech-Dienstleister. Der Vorteil: IT-Anbieter sehen nur die technische Seite, und Zoll-Dienstleister sehen nur die fachliche Seite. Wir sehen beides. Und das ist ein enormer Vorteil. Das haben wir erkannt, und vor ca. 10 Jahren unser eigenes IT-Department gegründet. Das hat bei uns im Unternehmen ganz neue Horizonte eröffnet und hilft uns, unsere Kund*innen zielgerichtet zu bedienen.

AEB: Hast du ein Beispiel?

Ivan: Wir hatten einen großen Kunden, der wollte, dass jede Woche die Zollanmeldungen übers Wochenende erledigt werden. Dafür mussten wir eine Automatisierung entwickeln, um nicht jedes Wochenende zu arbeiten. Ganz generell geht es natürlich auch um einen Wettbewerbsvorteil.

AEB: … durch IT-Innovationen. Das ist ein Punkt, der auch bei AEB sehr wichtig ist.

„Technologie und Digitalisierung sind eine Geisteshaltung.“

Customs Management mit AEB-Software

AEB-Zoll-Software für reibungslosen Warenfluss über Grenzen hinweg. Erfahren Sie mehr über Lösungen für Zollprozesse wie Import, Export, Warenursprung und Präferenzen, Integration Ihrer Zollagenten, Verwaltung von Lieferantenerklärungen und Tarifierung Ihrer Produkte.

Ivan: Genau. Es gibt fünf bis sechs Software-Firmen, die alle das Gleiche machen, und wenn die ein neues Release herausbringen, hat jeder dieselben Neuerungen zur gleichen Zeit. Wir wollten unser eigenes Innovationstempo und unsere eigenen Ideen umsetzen und mit den innovativsten Partner*innen zusammenarbeiten. Wir wollten die Ersten sein.

AEB: Bei all dem IT-Know-how: Wie wichtig ist für euch die fachliche Expertise?

Ivan: Digitalisierung und Technologie sind eine Geisteshaltung. Ein Tool. Unsere fachliche Expertise ist das, was wir durch digitale Technologie schneller und besser zu unseren Kund*innen bringen können. Für uns geht es vor allem um diese Verbindung. Und darum, Kund*innen den Weg zu zeigen von ihrer momentanen Arbeitssituation hin zu dem, was möglich ist. Zu den Innovationen, die ihnen das Leben so viel leichter machen können.

AEB: Ein bremsender Faktor ist zum Beispiel nach wie vor die Datenqualität.

Ivan: Die Datenqualität wird besser, wenn Daten ohne Medienbrüche digital weitergegeben und verarbeitet werden können. Eigentlich ist das ganz einfach. Wir versuchen, genau das bei unseren Kund*innen zu erreichen. Mit Schnittstellen beispielsweise in ihre ERP-Systeme. Wir schauen uns die jeweiligen Partner*innen an und entwickeln eine zielgerichtete Lösung.

AEB: Also ist das Onboarding nicht ein routinemäßiger Prozess, sondern vielmehr eine Beratungsleistung? Gibt es dann überhaupt ein „typisches“ Kund*innen-Onboarding bei euch? Und wie lange dauert es in der Regel, bis Kund*innen angeschlossen sind?

Ivan: Natürlich beraten wir unsere Kund*innen individuell, aber der zugehörige Prozess ist klar strukturiert. Wir haben unsere API-Struktur, die dafür designt ist, sich einfach integrieren zu lassen, damit das System so schnell wie möglich einsatzbereit ist und den Kund*innen schnell startklar zu bekommen. Das Technische ist dabei vergleichsweise einfach. Komplexer ist es oft, die Leute davon zu überzeugen, dass sie mit uns jede Menge Zeit sparen und Fehler vermeiden, die bei Zollinspektionen, die ja je nach Land in regelmäßigen Abständen erfolgen, sonst für Ärger sorgen. Dieser langfristige Wert muss ihnen klar sein.

AEB: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass diese Wertschätzung teilweise noch fehlt?

Ivan: Ich glaube, es kommt wirklich auf das Volumen an. Kleine Kund*innen sind eher analog unterwegs und sehen den Wert nicht so sehr. Bei kleinen Volumen sind es vor allem die mit sehr speziellen Gütern und hohem Verzollungsaufwand, für die wir interessant sind.

„Für Viele hat die Digitalisierung ihres Customs Managements eine disruptive Power.“

AEB: Und die großen?

Ivan: Wenn wir ihnen unsere Technologie und Arbeitsweise zeigen, erkennen Kunden mit großen Volumen oft den Wert, und die geradezu disruptive Wirkung, den die Digitalisierung ihres Customs Managements für sie hat. Wir arbeiten daran, dass diese Erkenntnis so früh wie möglich einsetzt.