Das 1x1 zum Internal Compliance Program: ICP in der Exportkontrolle
ICP-Grundlagen

Das 1x1 zum Internal Compliance Program: ICP in der Exportkontrolle

Gibt es eine Mustervorlage für ein ICP? Wir erläutern die Antwort auf diese Frage und geben Hilfestellung zum Vorgehen beim Aufsetzen eines ICP.

Internal Compliance Program: Einleitung und Grundlagen

In der Exportkontrolle wird der Begriff „Internal Compliance Program“ (kurz: ICP) genutzt, um Arbeits- und Organisationsanweisung (AundO) für die Exportkontrolle in Unternehmen zu beschreiben. Synonym dazu werden unter anderem folgende Begriffe verwendet: Standard Operating Procedure (SOP) für die Exportkontrolle, Verfahrensanweisung Exportkontrolle, Handbuch der Exportkontrolle und Guidelines zur Exportkontrolle.

Es gibt keine allgemeingültige Vorlage eines Internal Compliance Programms (ICP), die für alle Unternehmen passt und einfach übernommen werden könnte. Vielmehr besteht die Herausforderung für Unternehmen darin, ein individuelles, auf die Geschäftsprozesse zugeschnittenes Dokument zu erstellen, das die Unternehmensprozesse zur Absicherung der exportkontrollrechtlichen Vorgaben festlegt und im Unternehmen gelebt werden kann.

Rund um die Organisation des Exportkontroll- und Sanktionsrechts gibt es eine Vielzahl von Empfehlungen und Merkblätter von offizieller Seite. So bieten z.B. die EU-Kommission, verschiedene US-Behörden oder auch die chinesischen Behörden Hilfestellungen. Diese Dokumente enthalten viele, meist ähnliche und allgemein gehaltene Informationen, die für die konkrete Umsetzung in Unternehmen allerdings keine wirkliche Hilfe sind.

Dies wird auch in der ICP-Begriffsdefinition in der EU-Dual-Use-VO 2021/821 (Art. 2 Nr. 21) deutlich. Darin heisst es:

„Laufende wirksame, geeignete und verhältnismäßige Strategien und Verfahren, die von Ausführern angenommen werden, um die Einhaltung der Bestimmungen und Ziele dieser Verordnung und der Bedingungen der gemäß dieser Verordnung erteilten Genehmigungen zu fördern, unter anderem Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflicht zur Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit der Ausfuhr der Güter zu Endverwendern und Endverwendungen.“

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Welche Unternehmen brauchen ein ICP?

Bei der Beantwortung dieser Frage ist zwischen dem gesetzlich vorgeschriebenen ICP und der Empfehlung zur Erstellung eines ICP zu unterscheiden. 

  • In Deutschland ist ein ICP gesetzlich vorgeschrieben beim Handel mit Rüstungsgütern, für die Nutzung von Sammelgenehmigungen (SAG) und für die Nutzung der Allgemeinen Genehmigung. EU007. Für den Rüstungsbereich sehen die Grundsätze der Bundesregierung vor, dass der Ausführer/Verbringer seine Zuverlässigkeit durch eine geeignete Aufbau- und Ablauforganisation sicherstellen muss. Für Nutzer von SAG und der AGG EU007 folgt das ICP-Erfordernis direkt aus der EU-Dual-Use-Verordnung 2021/821.
  • Empfehlenswert ist die Erstellung eines ICP für Unternehmen mit genehmigungspflichtigen Ausfuhren und Verbringungen von zivilen Gütern. Betroffen davon sind Unternehmen, die Dual-Use-Güter im Warenstamm haben, mit sanktionierten Ländern Geschäfte machen oder Kenntnis über kritische Verwendungen ihrer Güter haben. Nach § 8 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) hängt die Genehmigungserteilung durch das BAFA an der Zuverlässigkeit des Ausführers. Zuverlässig ist ein Ausführer dann, wenn er sicherstellt, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden. Das Ziel eines ICP zur Exportkontrolle ist die Minimierung des Risikos, in den Anwendungsbereich der Straftatbestände des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) zu fallen.

Die Straftatbestände der §§ 17ff AWG knüpfen neben dem objektiven Vorliegen eines Verstoßes am subjektiven Merkmal des Vorsatzes an. Dieser wird nur bei Unternehmen bejaht, die ihrer Organisationspflicht nicht nachgekommen sind. Bei Unternehmen mit einem ICP, wird der Vorsatz und damit das Vorliegen des Straftatbestands grundsätzlich verneint. Verstöße werden als Arbeitsfehler im Rahmen von Bußgeldverfahren geahndet.

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Offizielle Empfehlungen rund um ICP

Wie bereits erwähnt, beinhalten ICP-Empfehlungen von offizieller Stelle allgemein gehaltene Informationen, die sich über Länder hinweg meist ähneln. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Deutschland nennt in seinem Merkblatt zur Erstellung eines ICP die folgenden neun Stichpunkte, deren Berücksichtigung für die innerbetriebliche Organisation als wesentlich betrachtet werden. Die aufgeführten Kriterien beruhen auf den Empfehlungen der EU.

  1. Bekenntnis der Unternehmensleitung zu den Zielen der Exportkontrolle
  2. Risikoanalyse
  3. Aufbauorganisation / Verteilung von Zuständigkeiten
  4. Personelle und technische Mittel sowie sonstige Arbeitsmittel
  5. Ablauforganisation
  6. Führen von Aufzeichnungen und Aufbewahrung von Unterlagen
  7. Personalauswahl, Schulungen und Sensibilisierungen
  8. Prozessbezogene Kontrollen / Systembezogene Kontrollen (ICP-Audit) / Korrekturmaßnahmen / Hinweisgebersystem
  9. Physische und technische Sicherheit

Das BAFA bietet auf seiner Homepage einen Fragebogen zur Abfrage dieser Kriterien zum Download an. Der Fragenkatalog soll bei der Implementierung eines ICP unterstützen. Weitere Informationen zu den einzelnen Prüfpunkten finden Sie im Merkblatt zur firmeninternen Exportkontrolle (ICP) auf der BAFA-Website.

Umsetzungsschritte zum ICP in der Praxis

Für die praktische Umsetzung im Unternehmen ist die Beachtung allgemeinen Kriterien sicherlich hilfreich, aber nur im konkreten Unternehmenskontext zielführend. Grundlage der Überlegungen zur Erstellung eines ICP müssen Größe, Struktur und die Geschäftsbereiche des Unternehmens sein. Wichtig ist, dass eine individuelle Organisation festgeschrieben wird, die zum Unternehmen passt und in der Praxis dann auch gelebt werden kann.

Bei der Erstellung eines ICP empfiehlt es sich den Fokus auf folgende vier Schritte zu richten:

Schritt 1: Die Risikobewertung

Im Rahmen der Risikobewertung muss anhand der konkreten Geschäftstätigkeit analysiert werden, welche exportkontrollrechtlichen Beschränkungen für das Unternehmen relevant sind. Möglich ist dies nur dann, wenn die gesetzlichen Regelungen des Exportkontrollrechts bekannt sind. Gegenstand der Analyse sind danach die Geschäftspartner, der Länderkreis, die Produktpalette und die Verwendungsmöglichkeiten der Produkte. Die Risikobewertung zeigt auf, welche Geschäftsbereiche in das ICP einbezogen werden müssen.
Hinweis: Die Prüfung der Geschäftspartner ist Gegenstand des Sanktionslistenscreenings, das mit Hilfe einer Screeningsoftware automatisiert und länderunabhängig vorgenommen werden sollte. Empfehlenswert ist es, die Geschäftspartnerprüfung in einem eigenen ICP zum Sanktionslistenscreening zu beschreiben.

Schritt 2: Die Statusanalyse

Hinter der Statusanalyse verbirgt sich die Frage, „wo stehen wir und wo möchten wir hin?“. Auf Basis der Risikobewertung muss für die ermittelten Geschäftsbereiche der angestrebte Soll-Zustand festgelegt werden. Dazu gehört neben der Beschreibung der Verfahrensabläufe auch eine Aufbauorganisation mit entsprechendem Organigramm, die Auswahl der richtigen Personen und geeignete Schulungsmaßnahmen.

Schritt 3: Die Niederschrift

Der im Rahmen der Statusanalyse festgelegte Soll-Zustand wird in einem individuellen Dokument, dem ICP, anhand konkreter Maßnahmen und Pflichten ausformuliert.

Schritt 4: Die Umsetzung

Das ICP muss im Unternehmen ausgerollt werden. Das bedeutet, dass alle im ICP festgeschriebenen Organisationsmaßnahmen im Unternehmen gelebt werden müssen. In der Praxis stellt die Umsetzung sicher die größte Herausforderung dar. Die Exportkontrolle betrifft viele unterschiedliche Unternehmensbereiche. Neben dem Vertrieb, dem Einkauf, der Produktentwicklung, dem Support, der Exportabteilung können je nach Unternehmensstruktur weitere Bereiche betroffenen sein. Ein ICP wird in einem Unternehmen nur gelebt, wenn die Organisationsmaßnahmen bei den Mitarbeitern auf Akzeptanz stoßen. Dazu ist neben Zeit, Wissensvermittlung, Verständnis und Hilfsmitteln für die Prüfung, das Bekenntnis der Geschäftsleitung zur Exportkontrolle ein ganz wesentlicher Faktor.

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Fazit zum Aufsetzen eines ICP

Das ICP im Unternehmen muss ein individuelles, auf die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zugeschnittenes Dokument sein. Allgemeine Ausführungen zum Exportkontrollrecht, wie sie sich in einem Handbuch finden, gehören nicht in ein ICP. Idealerweise regelt das ICP nur die identifizierten Risikobereiche im Unternehmen.

Ein ICP ist nur dann gut, wenn die beschriebenen Prozesse im Unternehmen ausgerollt und in der Praxis auch gelebt werden können. Die Erfahrung zeigt, je kürzer und verständlicher ein ICP ausgestaltet ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt wird.

Sie möchten einen Schritt tiefer eintauchen? Im nachfolgenden Artikel habe ich Ihnen die erläuterten Umsetzungsschritte für eine Fallstudie aufbereitet – jetzt lesen: 

Internal Compliance Program Beispiel: Ein ICP für die Juice GmbH